Post-Corona: Wie Nachhaltigkeit die Spielzeug- und Kindermöbelbranche jetzt verändert

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Krise heißt Veränderung – aber auch Chancen. Welchen Einfluss Corona auf eine nachhaltigere Spielzeug- und Kindermöbelbranche hat.

Wer hätte Anfang 2020 an eine Welt wie diese geglaubt? Lockdown, Börsenschock, Hunderttausende in Kurzarbeit und Millionen Menschen ohne Arbeit. Covid19 beeinflusst nicht nur erheblich das Gesundheitssystem, sondern birgt auch enorme soziale und wirtschaftliche Probleme. Das Virus verändert auch die Spielzeug- und Kindermöbelbranche.

Von positiven Effekten zu sprechen, mag da aktuell vermessen erscheinen. Doch manch einer sieht die Chance, gerade jetzt die Gelegenheit für ein Umsteuern zu ergreifen. Ganz nach dem Motto: Wenn (fast) nichts mehr geht, lässt sich Neues denken und erproben. So sieht es zumindest Alain de Rauw, Vertriebschef für den nachhaltigen Spielzeug-Hersteller Plantoys.

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Alain de Rauw Vertriebschef von PlanToys

Das Unternehmen produziert – von der ersten Skizze bis hin zur Verpackung – seit seiner Gründung 1981 jedes einzelne Spielzeug im Heimatland Thailand und greift dabei auf natürliche Ressourcen und recyceltes Holz in unmittelbarer Nähe zur Manufaktur zurück. Dadurch war Plantoys auch während des Lockdowns  unabhängig von langen Lieferketten und Rohstoffen aus anderen Ländern und konnte – unter Berücksichtigung der Schutz- und Hygiene-Maßnahmen – problemlos weiter produzieren.

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Submarine nachhaltiges Spielzeug von PlanToys

Auch für Elise Opezzo-Burger von Coclico machte es sich bezahlt, dass sie ihre mitwachsenden Kindermöbel lokal in Deutschland produziert:  »Die Möglichkeit, weiter mit den Produzenten und Lieferanten im direkten Kontakt zu bleiben und nicht durch Reisebeschränkungen in andere Länder oder gar nur Bundesländer behindert zu werden, stellte eine weitestgehend fließende Fertigung sicher.«

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coclico
 ökologische Design-Kindermöbel

Corona – Chance für mehr Regionalität

In den vergangenen Jahrzehnten kam es zu einer erheblichen Ausweitung der Mobilität und Unternehmen sowie Kunden profitierten von einem umfangreichen Warenangebot zu günstigen Preisen. Anstatt in der Heimat lokal zu produzieren, griffen viele Unternehmen lieber auf Billiglohnländer zurück. Nachteile für die Umwelt, aber auch soziale Verwerfungen wurden für ein schnelles wirtschaftliches Wachstum billigend in Kauf genommen. Und ausgerechnet diese Globalisierung sorgt nun dafür, dass die Welt quasi  innehält. Führt diese vorübergehende Ruhe zu einem bitteren Erwachen?

Alain de Rauw findet, dass Unternehmen lernen können, »die Vorteile der Globalisierung richtig zu nutzen, anstatt ihre Möglichkeiten – und damit die Umwelt – weiter auszubeuten.«

So produziert auch die Spielzeugmarke TicToys  jedes ihrer Bewegungsspiele in ihrem Heimatland Deutschland. »Wir versuchen von Anfang an die Wege bei unserer Produktion möglichst kurz zu halten und somit die Umwelt so wenig wie möglich durch weite Transportwege zu schädigen«, erklärt Matthias Meister, der TicToys zusammen mit Tony Ramenda  2010 in einer Studenten-WG in Chemnitz gründete. »Natürlich lag darin auch ein gewisser Pragmatismus, weil die Kommunikation mit Lieferanten viel einfacher ist, wenn man sich mal schnell besuchen kann.« Einige Spielsachen sind dadurch etwas teurer als die Plastik-Puppe in dem großen Spielzeuggeschäft, aber: »Viele glauben nicht, dass es überhaupt möglich ist, in Deutschland zu produzieren und gleichzeitig das Spielzeug zu einem ›vernünftigen‹ Preis anzubieten.«

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Binabo
 ökologisches Konstruktionsspiel von TicToys

Social Media Nutzung in Zeiten von Corona

Um genau die richtigen Händler und Eltern anzusprechen, setzen unabhängige und nachhaltige Marken häufig verstärkt auf Social Media. Unternehmen wie ecoBirdy aus Belgien sind vermehrt auf Instagram aktiv – und das aus einem guten Grund: Sie haben eine Geschichte zu erzählen. Wer Design-Kindermöbel aus recyceltem Plastik herstellt, möchte das auch seinen Kunden mitteilen.

Als Händler werden bewusst Online-Shops und Concept Stores gewählt – eine Überlegung, die vielen nachhaltigen und kleinen Unternehmen wie ecoBirdy durch die Corona-Zeit hilft.


ecoBirdy nachhaltige Design-Kindermöbel

Alain de Rauw, von Plantyos, erklärt das wie folgt: »Wir haben bereits vor dem Ausbruch des Virus stark auf Social Media gesetzt, sodass wir uns einen festen Online-Kundenstamm aufbauen konnten. Zudem sind viele kleine Concept Stores, in denen Plantoys-Spielzeug geführt wird, ebenfalls stark auf Social Media aktiv. Dies führt zu einer erheblichen Steigerung unseres Bekanntheitsgrads. Potentielle Kunden werden auf uns aufmerksam. Gleichzeitig bauen wir durch die sozialen Medien eine besondere Nähe zu unseren Kunden auf und unser nachhaltiges Spielzeug wird besser angenommen und geschätzt.«

Nachhaltige Produkte werden bei Kunden immer beliebter

Tatsächlich konnten viele nachhaltige Unternehmen wie Plantoys ihren Umsatz in der Corona-Zeit sogar steigern. IBM hat in seiner globalen Verbraucherstudie 2020 knapp 20.000 Verbraucher zu ihrem Konsumverhalten befragt. Die Studie zeigt, dass sich das Konsumverhalten in den letzten Jahren fundamental geändert hat und Verbraucher sich umorientieren. Für circa 80% der Befragten ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema.

Weil Kinder während des Lockdowns sinnvoll beschäftigt werden wollen, sind unter anderem die Umsätze für Brett- und Kreativspielzeuge in die Höhe gegangen. Für kleinere Firmen, die mit außergewöhnlichen Ideen einer konsumorientierten Welt entgegensteuern, ein Erfolg.

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Pappka ökologisches Kreativspielzeug von Musekind

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Just Blocks ökologische Holzbausteine

Grüner Aufschwung nach Corona?

Vielleicht, so hofft es auch Alain de Rauw,  ist »die Pandemie endlich Auslöser für eine Reflexion über die Beziehung der Menschen zu ihrer Gesundheit und natürlichen Umwelt – aber auch über gesunde Beziehungen im Wirtschaftsleben.«

Plastik und Massenproduktion scheinen derzeit zumindest nicht mehr zukunftsfähig. Wer umdenkt und mithilfe geeigneter Technologien nachhaltige Lösungen findet, kann Teil eines längst überfälligen Wandels werden, den schon der britische Ökonom Ernst F. Schumacher 1972 in  seinem Buch »Small is beautiful« forderte.

 

Buch-Tipps

»Rückkehr zum menschlichen Maß«
Ernst Friedrich Schumacher
Oekom-Verlag

»Unsere Welt neu denken«
Maja Göpel
Ullstein-Verlag

»All you need is less«
Manfred Folkers und Niko Paech
Oekom Verlag