»Hilf mir, es selbst zu tun« – ist das Leitmotiv der Montessori-Pädagogik, was ist genau damit gemeint?
Etwas selbst zu beherrschen löst Wohlgefühl aus und schafft Selbstsicherheit. Je nach Entwicklungsphase sind das unterschiedliche Dinge. Ein Kleinkind schließt begeistert seinen eigenen Reißverschluss, ein größeres Kind ist stolz auf Pfannkuchen, die es selbst gebacken hat. In der Montessori-Pädagogik wird dem Kind möglichst wenig abgenommen, aber gerade genug, um es zu unterstützen. Vom Reißverschluss wird vielleicht nur der Anfang geschlossen, die Pfannkuchenherstellung wird vorher ordentlich gezeigt …
In der Montessori-Pädagogik spricht man von »Arbeitsmaterialien« für das Kind. Wo liegt der Unterschied zu anderem pädagogischen Spielzeug?
Maria Montessori war ein Genie, anders kann man das nicht sagen. Ihre Entwicklungsmaterialien ermöglichen dem Kind in isolierten Schritten Wissen über Bewegung aufzunehmen. Die Materialien unterliegen dabei mehreren Stufen und bauen aufeinander auf. Gleichzeitig haben sie hohen Aufforderungscharakter. Dass man am erfolgreichsten lernt, wenn Wissen durch Muskelbewegung aufgenommen wird, ist heute längst durch die Hirnforschung belegt. Fahrradfahren wird man schließlich auch nie vergessen. Die Bedeutung einer Million, der Satz des Pythagoras, die verschiedenen Wortarten oder die Länder Südafrikas – alles wird durch die Materialien verstanden und verinnerlicht. Pädagogisches Spielzeug zielt meist den Zweck des Auswendiglernens oder der Förderung von Konzentrationsmomenten, so z.B. Memory.
Wie können Eltern und Pädagogen im Alltag mit Kindern montessoriorientiert agieren?
Beinahe hätte Maria Montessori den Friedensnobelpreis gewonnen – nicht ohne Grund. Ihre Haltung zum Kind bestand darin es zu beobachten und zu ermutigen, nicht voreilig einzugreifen, Vertrauen in seine Entwicklung zu schenken, wertschätzend umzugehen, nicht zu beschämen, die Natur gemeinsam zu bestaunen, Fehler als Entwicklungsprozess willkommen zu heißen, dem Kind vorzuleben, dass jedes Lebewesen eine Aufgabe, einen Sinn erfüllt, auch der Mensch. Die Haltung ist die entscheidende Orientierung.
Wenn Du die Wahl hättest – welches pädagogisches Spielzeug oder Arbeitsmaterial würdest Du an alle Kinder dieser Welt verschenken?
Das hängt ganz von Alter und Entwicklungsschritt ab. Mein 1-jähriger Sohn ist völlig vernarrt darin, eine hölzerne Kugel in ein Loch zu stecken und unten aus einer Schachtel wieder herauszuholen. Meine 6-jährige Tochter liebt es, die Bewegung der Erde im Verhältnis zur Sonne nachzustellen. Ich selbst hatte während meiner Ausbildung täglich Aha-Erlebnisse: »Ach deshalb sagt/macht man das so!« Phänomenal finde ich zum Beispiel die Wortartensymbole, mit denen ich Grammatik spielend und sehr lustbetont gelernt hätte. Die großen und kleinen Erzählungen Montessoris sind zwar keine Materialien, aber sie zeigen die Natur- und Kulturentwicklungen auf. Hierbei entsteht tiefer Respekt vor unserer Erde und ein sehr positives Verantwortungsgefühl.
Und last, but not least: Du bist nicht nur Montessori-Pädagogin, sondern auch Mutter & Autorin erzähle uns doch bitte etwas über Deinen Blog carrotsforclaire – warum hast Du ihn gegründet?
Meine Tochter hatte anfängliche Unverträglichkeiten (Kuhmilchprodukte, Geschmacks- und Farbstoffe …) und verweigerte die Nahrungsaufnahme beinahe ganz. Ihre Kinderärztin empfahl mir, wenn sie etwas isst, sie mit möglichst hoher Nährstoffdichte zu versorgen. So wuchs mein Bedürfnis, ihr wertvolle Lebensmittel statt schlechter Fette, Fabrikzucker und »leere«, also nährstofflose Zutaten anzubieten. Dabei habe auch ich meine Ernährung vor fünf Jahren umgestellt. Wie nebenbei erreichte ich meinen Wohlfühl-Zustand, meine Tochter Claire lernte gesunde Zutaten kennen, die für sie heute normal sind, und schließlich verschwanden ihre Unverträglichkeiten. Meine Rezepte und Erfahrungen teile ich auf meinem Blog und inzwischen in meinen drei Büchern »Gesund kochen ist Liebe«, »Gesund backen« und »Schnell und gesund kochen«.