Warum sind hygienische, einfach nutzbare und kostenfreie Toiletten für Mädchen und Frauen im öffentlichen Raum noch immer die Ausnahme? Lena Olvedi hat mit Missoir ein Hockurinal für Frauen und Mädchen entwickelt – ergonomisch, kontaktfrei und wasserlos. Im Interview zeigt sie, wie aus einem Grundbedürfnis ein Impuls für die »we pee too« Bewegung wurde.
Lena – was hat dich dazu motiviert, ein Hockurinal für Frauen und Mädchen zu entwerfen?
Die Idee zu Missoir entstand, als ich mal wieder ewig lang in der Warteschlange einer Frauentoilette stand und mich fragte, warum es eigentlich nur Urinale für Männer gibt, wir Frauen müssen ja auch pinkeln. Eine Pisskriminierung, denn Urinale dürfen kein Privileg des Geschlechts sein. In der freien Natur gehen wir Frauen automatisch in die Hocke, wenn wir pinkeln müssen.
Deshalb ist Missoir ein Hockurinal, das unsere natürliche Haltung beim Urinieren respektiert und eine einfache, schnelle, ergonomische und kontaktfreie Nutzung ermöglicht. Hinzu kommt, dass Frauen aus biologischen Gründen: kleinere Blase, Periode oder Schwangerschaft, häufiger als Männer eine Toilette aufsuchen müssen. Gleichzeitig haben wir deutlich weniger Möglichkeiten, uns zu erleichtern.
Mit Missoir möchte ich Gleichberechtigung für ein Grundbedürfnis schaffen, ein schambehaftetes Thema enttabuisieren, kleine und große Frauen empowern und Gutes für Mensch und Natur bewirken.

»Missoir« Hockurinal für Frauen und Mädchen
Dein Hockurinal könnte auch auf Spielplätzen die erste Wahl werden, wenn die Blase drückt …
Absolut! Kostenfreie und zugängliche öffentliche Toiletten sind die Grundlage für soziale Teilhabe. Pinkeln ist ein unaufschiebbares Grundbedürfnis. Gerade an Orten, wo sich viele kleine und große Menschen aufhalten, wie in Parks oder auf Spielplätzen, sind Toiletten besonders wichtig. Dazu gehört auch eine Ausstattung mit Wickeltisch und die Möglichkeit, sich die Hände zu waschen.
Eine kleine Geschichte dazu: Ich war einmal in einem Berliner Park spazieren, kam an einer City-Toilette mit Missoirs vorbei und fotografierte sie. Eine Mama fragte, ob mir diese Toiletten auch gefallen, ich musste lächeln. Sie erzählte, dass sie besonders das Hockurinal so toll findet, weil ihre Tochter es alleine nutzen kann, im Gegensatz zu herkömmlichen Sitztoiletten, wo sie ihre Tochter hochhalten muss. Das hat mich sehr gefreut und zeigt, dass Missoir auch für die kleinsten Nutzerinnen easy peesy ist.
Können Mädchen dein Hockurinal schon in Echt testen? Wenn ja, wo?
In Berlin gibt es bundesweit seit 2022 die ersten öffentlichen Toiletten mit den Frauenurinalen Missoirs. Die autarken City Toiletten von EcoToiletten GmbH sind nachhaltig ohne Strom und Wasser, barrierefrei, gendergerecht und kostenfrei für die Nutzerinnen.
In allen Berliner Bezirken stehen diese öffentlichen Toiletten, ready zum Probe pullern. Die Standorte in Berlin und Brandenburg findet ihr auf unserer Webseite. Die Missoirs gibt es auch in diversen Kultur- und Event Locations in Berlin, im In- und sogar schon im Ausland; in Dänemark, Österreich und den Niederlanden. Das ist erst der Beginn der Peevolution.

»Missoir« Hockurinal für Frauen und Mädchen, Credit: Devi Vanilla
Und wie reagieren die kleinen Nutzerinnen auf Missoir? Konntest du bereits erste Stimmen einsammeln?
Für die öffentlichen Missoirs in Berlin gab es eine offizielle Umfrage der Stadt. Die Ergebnisse waren fantastisch, 97 % bewerteten die Hockurinale positiv. Zwar haben an der Umfrage vor allem Erwachsene teilgenommen, aber ich hoffe sehr, dass auch die Kinder mindestens genauso begeistert sind.
Direktes Feedback konnten wir bei verschiedenen Events sammeln, zum Beispiel beim Festival der selbstgebauten Musik oder am Weltfrauentag. Dabei haben wir viele fröhliche Gesichter gesehen, von den jüngsten bis zu den ältesten Nutzerinnen. Omas gegen Rechts, viele Mamas mit ihren Töchtern – alle waren beim Missoir pullern und begeistert. Das ist auch der Grund, warum ich Missoir mache. Das viele positive Feedback motiviert mich jeden Tag, für Peequality weiterzukämpfen und etwas zu normalisieren, das eigentlich längst selbstverständlich sein sollte.
Missoir ist dank Spritzschutz und Haltestangen hygienisch und schont die Natur; weil es ohne Wasserverbrauch, Plastik und Chemie auskommt …
Missoir ist ein umweltfreundliches Trockenurinal, das komplett ohne Wasser auskommt. So wird bei jedem Pipi literweise wertvolles Trinkwasser gespart, denn vielleicht wissen viele nicht, dass rund 30 % unseres täglichen Wasserverbrauchs direkt ins Klo fließt.
Bei fest eingebauten Missoirs fließt der Urin, wie gesetzlich vorgeschrieben, direkt ins Abwasser. In Berlin werden die Urin-Tanks der City-Toiletten gesammelt und in Eberswalde in der Kompostieranlage von Finizio im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu Dünger weiterverarbeitet. Das zeigt, dass es für jedes Problem eine nachhaltige Lösung gibt, man muss sie nur anwenden.

»Missoir« Hockurinal für Frauen und Mädchen, Credit: Sofia Szabó
Spielplätze gibt es unzählige auf der Welt und überall »müssen« Mädchen (und Jungen) mal. Haben dich bereits Anfragen interessierter Spielplatz-Designer erreicht?
Wir vertreiben die Missoirs als Sanitärprodukt, bauen aber selbst keine Toilettenanlagen für den öffentlichen Bereich. Stattdessen arbeiten wir mit Partnerfirmen zusammen, die mobile oder feste Toiletten ver- oder betreiben. Diese Anbieter können unser Hockurinal in ihr Sortiment aufnehmen und so neben Sitztoiletten und Pissoirs auch Missoirs anbieten.
Wir freuen uns über erfolgreiche Kooperationen mit EcoToiletten, Nowato, Goldeimer oder Öklo. Das Interesse wächst stetig, immer mehr Menschen und Organisationen erkennen, wie wichtig eine faire Toilettenverteilung ist, zum Beispiel auf Spielplätzen, in Parks, etc. Hoffentlich gehören unsere Missoirs schon bald genauso selbstverständlich zu öffentlichen Toiletten wie Pissoirs seit Jahrhunderten. We pee too – heute für die Normalität von morgen!

Lena Olvedi, Gründerin und Inhaberin »Missoir«
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Zur Autorin
Katja Runge ist Gründerin von afilii. Mit ihrer langjährigen Erfahrung als Journalistin, Kommunikationsberaterin und Projektleiterin in der Design- und Kreativwirtschaft bringt sie ein feines Gespür für Sprache und Themen mit. Im afilii-Magazin engagiert sie sich als Themen-Finderin, Autorin oder im Lektorat – in enger Zusammenarbeit mit den Autor:innen – immer auf der Suche nach relevanten, gut erzählten Inhalten mit echtem Mehrwert für unsere Leser:innen.



