Wie Frauen die Spielzeugbranche prägen: historisch und aktuell

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In der Geschichte des Designs sind Frauen lange marginalisiert worden – auch in der Spielzeugbranche. Es wird Zeit, dass sich das ändert. Anlässlich des internationalen Frauentags beschäftigen wir uns mit dem Einfluss von Designerinnen auf die Spielzeugindustrie.

Von jeher haben Frauen wesentlich zur Designgeschichte von Spielzeug beigetragen, doch abgesehen von wenigen Ausnahmen sind sie viel seltener bekannt als Männer.

Maria Montessori: Die wichtigste Pädagogin des 20. Jahrhunderts

Eine dieser wenigen wirklich bekannten Frauen ist Maria Montessori. Sie revolutionierte vor 150 Jahren die Pädagogik, indem sie erkannte, dass Kinder einen angeborenen inneren Antrieb haben, selbst zu lernen. Als junge Frau studierte sie Medizin und wurde gegen den Willen ihres Vaters Ärztin – eine der ersten Ärztinnen in Italien. Immer wieder wurde sie dabei ausgegrenzt – so durfte sie Hörsäle erst betreten, wenn die männlichen Studenten bereits saßen – doch sie erkämpfte sich ihren Platz in der männerdominierten Welt und ist vermutlich die bekannteste Pädagogin des 20. Jahrhunderts.

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Maria Montessori
Via: Wikimedia Commons: Public domain photograph of Maria Montessori from 1913

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Montessori-Spielzeug
Via: Wikimedia Commons: Maria montessori per soc. falegnami gonzaga, scatola dei solidi geometrici, cilindri colorati, cilindri dei rumori, 1907.

Ihr Ansatz »Hilfe zur Selbsthilfe« wird bis heute durch sogenanntes Montessori-Spielzeug umgesetzt und besticht durch schlichte klare Formen und Farben, welche Kinder zum selbst spielen animieren. Weltweit lassen sich davon auch junge Spielzeug-Designerinnen wie Aishwarya Nair aus Indien mit ihren Spielzeugen wie der “Nesting Henne” und dem “Religious Empathy Toy” inspirieren.

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Religious Empathy Toy von Aishwarya Nair

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Nesting Henne von Aishwarya Nai

Ray Eames: Mehr als nur die Ehefrau

Ähnlich verhält es sich mit Designs von Ray Eames deren Name zu ihren Lebzeiten fast immer nach dem ihres Mannes Charles Eames erscheint. Denn auch in den 50er Jahren waren Frauen in der Designbranche den Männern noch nicht gleichgestellt. Geschäftsleute wollten immer mit Charles sprechen – nicht mit Ray – auch wenn das Ehepaar als Duo zu gleichen Teilen an ihren Designs arbeiteten. Und als das Paar zusammen in der damals im US-amerikanischen Fernsehen populären “Home Show” auftrat, wurde Ray Eames als eine Ehefrau vorgestellt, die ihrem Mann den Rücken stärkt.

Heute wissen wir, dass die Designs von Eames immer in enger Zusammenarbeit mit Ray Eames entstanden. Dazu zählt sowohl der berühmte Eames-Elefant – der heute von Vitra produziert wird – aber auch das Puppenhaus “The little Toy”.

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The little Toy von Ray Eames & Charles Eames

Alma Siedhoff-Buscher: Pionierin des Staatlichen Bauhauses in Weimar

Das Ray Eames erst später Anerkennung für ihre Werke erhielt, ist auch rückblickend auf die Bauhaus-Ära betrachtet, gar nicht so überraschend. In einer Zeit, in dem Design sehr technisch war und auf das Elementare reduziert wurde, war es für Frauen schwer, einen Platz in dieser männlich geprägten Welt zu finden. Immerhin wurden Frauen ja auch seit jeher als wenig technisch begabt angesehen.

Eine der wenigen Designerinnen, die es trotzdem an das Bauhaus der 1920-iger Jahre wagten, war Alma Siedhoff-Buscher. Sie entwarf unter anderem das Kinderzimmer in dem Musterhaus »am Horn« in Weimar. Ihre aus einfachen Grundformen entwickelten und kostengünstig produzierten Kindermöbel wurden schnell zu einem Verkaufsschlager im Bauhaus-Repertoire. Insbesondere die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten einzelner Möbelstücke – eine Wickelkommode konnte als Schreibtisch genutzt werden und der Spielschrank war Puppentheater und Bücherregal zugleich – fanden großen Anklang.

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Kinderspielschrank von Alma Siedhoff-Buscher Via: Wikimedia Commons

Doch trotz dieses Erfolgs und der gewinnbringenden Produkte wurden ihre Gesuche um ein eigenes Atelier in Weimar abgelehnt und Walter Gropius, der Gründer des Bauhauses in Weimar, weigerte sich, ihre Arbeit nach der Geburt des ersten Kindes weiter zu unterstützen. Damit sah sich Alma Siedhoff-Buscher an den Rand – wenn nicht gar hinausgedrängt. Sie verlässt Dessau, folgt ihrem Mann auf dessen Theatertourneen und kommt 1944 bei einem Bombenangriff tragisch ums Leben.

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Bauhaus-Spielzeug von Alma Siedhoff-Buscher  Via: NAEF

Heute dienen die farbenfrohen Entwürfe der Bauhäuslerin, die von der Schweizer Spielzeugschmiede NAEF vertrieben werden, unter anderem als Inspiration für das Holzspielzeug des Designer-Duos Zoe Miller und David Goodmann von Miller Goodman aus England. Auch sie entwerfen einfachen Formen, undefinierte Formen und Muster, die Kinder zum wiederholten Spielen anregen und motivieren. Ganz nach dem Motto »weniger ist mehr« glauben sie an die Benutzerfreundlichkeit des Designs und sind überzeugt, dass Spielen keine Anleitung braucht.

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Facemaker von Miller Goodman

Spielzeugdesignerinnen des 20. Jahrhunderts: Margaretha Reichardt und Minka Podhajská

Mitten in die Kriegswirren des 2. Weltkrieges hinein, wurde schließlich eine weitere Frau Mitglied des Bauhauses: Margaretha Reichardt. Mit ihren Steckpuppen, deren Rechte auch NAEF aus der Schweiz erworben hat, ist sie bis heute in jeder großen Bauhaus-Publikation vertreten. In der DDR verliehen ihr vor allem ihre Gobelins und Tapisserien ein hohes Renommee.

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Steckpuppen von Margaretha Reichardt Via: NAEF

Nur in Wien konnten sich Künstlerinnen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts fest in den Kunstkreisen verankern. Nachdem Österreich bereits 1918 das allgemeine Wahlrecht für Frauen in Kraft setzte, veränderte sich in den 20er Jahren auch die Kunstwelt zu Gunsten von Frauen. So sind die volkstümlichen Holzfiguren von Minka Podhajskás – ursprünglich für Kinder entworfen – in Kunstkreisen bis heute beliebt.

Minka Podhajská Via: Wikimedia Commons

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Series for Personifications

Spielzeugdesignerin der ehemaligen DDR: Renate Müller

Nach dem zweiten Weltkrieg wandelte sich das Bild der Frau allmählich. Historikerinnen und Historiker streiten bis heute, ob Frauen in der DDR wirklich gleichberechtigter als in Westdeutschland waren. Fakt ist allerdings, dass Frauen aus ökonomischen Gründen – wegen des Mangels an Arbeitskräften – ein fester Bestandteil der Arbeitswelt in der DDR wurden. So übernahm z.B. Renate Müller nach dem Tod ihrer Eltern ihre Spielzeugmanufaktur und begann mit der Fertigung ihrer »Rupfentiere«. Die im wörtlichen Sinne reizvollen Tiere fanden sofort Anklang und sind bis heute weltweit – von Europa bis in die USA und Japan – beliebt und in therapeutischem Einsatz.

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Renate Müller

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Therapie-Spielzeug »Seehund«

Die Spielzeugbranche für Frauen heute: Eine Branche auf dem Weg zur Gleichberechtigung

Heutige Spielzeugdesignerinnen verkörpern glücklicherweise ein neues Bild von Frauen in der Spielzeugbranche. Barbara Seidler aus dem Erzgebirge z.B. entwirft und vertreibt mit ihrer Marke Sina Spielzeug bereits seit über 30 Jahren Holzspielzeug mit einem ausgeprägten Bezug zum deutschen Pädagogen Friedrich Fröbel.

Sie sagt: »Für mich persönlich ist ganz besonders Renate Müller ein großes Vorbild, weil sie in ihrem Arbeitsleben viele Hürden nehmen musste und nie aufgegeben hat, bevor sie letztendlich mit ihren Rupfentieren weltweiten Erfolg erlangt hat.« Des Weiteren findet sie, wenn sie sich gedanklich in der Branche der Holzspielzeug-Hersteller umsieht, dass sie viele Frauen kennt »die hier richtig aktiv und erfolgreich agieren und das sowohl in Führungspositionen von Unternehmen als auch als Gestalterinnen.«

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Barbara Seidler, Sina-Spielzeug

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Klingende Holzkugeln

Dazu zählen auch ganz junge Designerinnen wie Emma Brix, die derzeit noch Industriedesign an der Burg Giebichenstein in Halle/Saale studiert. Erst vor kurzem gingen ihre BluffBlocks in Produktion. Die kleinen Holzbausteine sehen auf den ersten Blick gewöhnlich aus – verbergen jedoch geschickt bewegliche, kleine Metallgewichte in ihrem Inneren. Dadurch wird es möglich, dass Kinder (aber auch Erwachsene) mit der Schwerkraft experimentieren können und ganz nebenbei lernen, wie physikalische Gesetze funktionieren.

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Emma Brix, Spielzeug-Designerin

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BluffBlocks von Emma Brix

Aber auch die Gründerin Kim Goldstein von koa koa aus Frankreich und Antje Stumpke und Martina Musek von Musekind aus Leipzig mit ihrem ökologischen Pappka-Haus verändern die Spielzeugbranche mit kreativer, kindgerechter und nachhaltiger Gestaltung.

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Kim Goldstein, koa koa

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Flashlight von koa koa

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Antje Stumpke, Martina Musek, Musekind

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Pappka-Haus von Musekind

Statistiken zufolge sind inzwischen 61 Prozent der aktuell arbeitenden Designer Frauen und immerhin 29 Prozent Kreativdirektorinnen. Ein positiver Ausblick mit der Chance für weitere Fortschritte. »In unserer Branche sprechen wir weitestgehend über emotionale Produkte für Kinder«, so Barbara Seidler. »Es liegt ja ein Stück in der Natur von Frauen, dass sie sich besonders in die frühkindliche Entwicklung einfühlen können und demzufolge in der Spielzeugbranche erfolgreich sind.«

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